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Als BetreuerIn und TherapeutIn verstehen wir uns
als BegleiterIn und GeburtshelferIn für dasjenige,
was als höchstes menschliches Gut im Ringen mit
der Sucht geboren werden will.
Häufig liegt ein wesentlicher Anlass für die Ent-
wicklung von Abhängigkeit im Erleben eines sinn-
entleerten Daseins. Das Erleben von zunehmender
Leere und Sinnlosigkeit ist aber auch eine Signatur
unseres Zeitalters. Die Suche nach Sinn ist zu einer
Bedingung des Menschseins geworden, ist mit dem
Wesen des Menschen zutiefst verbunden. Dement-
sprechend kann das Erleben von Sinnlosigkeit so
unerträglich werden, dass nur noch Betäubungs-
mittel Linderung und Trost verschaffen.
Wenn nun ein verzweifelter Mensch,
für den das Suchtmittel ein Ersatz für
das fehlende Sinnerleben geworden ist,
einen neuen Sinn für sein Dasein erschafft,
können dadurch Kräfte geweckt werden,
die manches scheinbar Unmögliche
erreichbar werden lassen.
Sinn und Inhalt müssen, damit sie für die Entwick-
lung der Persönlichkeit wirksam werden können,
ganz individuell entstehen, im Innern geboren wer-
den. Wir können daher als TherapeutInnen diesen
Sinn nicht vorgeben, auch nicht anbieten. Unsere
Kunst liegt darin, Bedingungen zu schaffen, die
helfen, dass Sinn und Inhalt aus der Individualität,
als Erkenntnis und Stiftung ureigenster Impulse,
sich entwickeln und in die Welt treten können.