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Zur Förderung der Wahrnehmung zeitlicher Struk-
turen und zur Entwicklung von Selbstrhythmisie-
rungsfähigkeiten werden regelmäßig Rückblick-
und Vorblickarbeiten als Gruppen- und Einzelarbeit
durchgeführt. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit
stehen dabei die Charakteristika der Zeiteinheiten
im Hinblick auf individuelle und gemeinschaftliche
Entwicklungsprozesse. Sie werden für die Bewoh-
nerInnen erlebbar und damit ihrer Bewusstseins-
entwicklung zuträglich.
Zur Stützung und Förderung der Selbstrhythmi-
sierungsfähigkeiten werden verschiedene thera-
peutische Maßnahmen angewendet. Sämtliche
gruppentherapeutische Arbeiten folgen einem
festgelegten Zeitrahmen.
Für die Arbeitstherapie ist Zeitgestaltung eben-
falls von hoher Bedeutung. Sie fördert die Rhyth-
misierung von Zeiteinheiten im Hinblick auf
Arbeitsprozesse und -ergebnisse.
Die Kunsttherapie bietet mit dem rhythmischen
Zeichnen eine Maßnahme, die unmittelbar auf
die Selbstrhythmisierungfähigkeiten der Bewoh-
nerInnen heilend einwirkt. Wahrnehmungsschu-
lungen z.B. durch Naturbetrachtungen im Jah-
reslauf, der Pflege von Jahreszeitentische fördern
die Aufmerksamkeit der KlientInnen auf Werden
und Vergehen, auf Polarität und Steigerung als
wesentliche Determinanten von Entwicklungs-
prozessen.
Rhythmisierung
und Zeiterleben
In der anthroposophisch orientierten Behandlung
von abhängigkeitskranken Menschen wird der
Rhythmisierung von zeitlichen Strukturen des Ta-
ges, der Woche, des Jahres, des Alltags und der Bio-
grafie besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dies
geschieht auf der Grundlage, dass süchtiges Verhal-
ten verbunden ist mit einem Mangel an Fähigkei-
ten im Erleben und Aufrechterhalten von zeitlichen
Strukturen. Im Fortschreiten der Abhängigkeitsent-
wicklung wird die Wahrnehmung der Zeit verzerrt,
eingeengt und letzten Endes aufgelöst. In den ver-
schiedenen Therapiephasen gestalten daher unter-
schiedlich stark strukturierte, zeitliche Vorgaben
die Abläufe.
Rhythmisierung und Ritualisierung von Zeitstruk-
turen entfalten eine heilende Wirkung auf die Le-
benskräfte und wirken als verinnerlichte, stützende
Faktoren auf dem Weg in eine stabile Abstinenz.
Regelmäßig wiederkehrende Elemente fördern
die Entwicklung von Stabilität, Verlässlichkeit und
Kontinuität als basales Lebensgefühl bei den Be-
wohnerInnen. Sie wirken damit als unmittelbare
Heilfaktoren in einem von Chaos, Auflösung und
Orientierungslosigkeit geprägten Erleben.