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identisch sein kann. Er steht dann immer öfter vor
Entscheidungen, die zu treffen er zwar schmerzlich,
aber als durchaus notwendig empfindet. Denn er
erlebt, wenn er sie nicht trifft, dass er mit der Welt
und diese mit ihm immer weniger zusammen-
stimmen.
Der Mensch kann dadurch schließlich eine Selbst-
erkenntnis erfahren und kulturschaffend werden.
„Durch die anderen bekomme ich die Anregungen,
die meinem Ich das geistige Wachstum ermög-
lichen. Sie sind durch das von mir aufgebrachte
Interesse meinem Selbst zugehörig.”
IV. Aspekte unserer
suchttherapeutischen Arbeit
So, wie die Sozialtherapie vorrangig die gesund-
machenden Wechselbeziehungen zwischen dem
Einzelnen und der zu ihm gehörigen Gemeinschaft
fördert, und – aus den Gesetzen des sozialen Lebens
auch fordert, so hat es die Suchttherapie in erster
Linie mit der Qualität der Selbstwahrnehmungs-
fähigkeit zu tun, die der Einzelne benötigt, um in
ein schöpferisches und erkenntnisaktives Verhält-
nis zu sich selbst zu kommen.
Der/die TherapeutIn kann dies nicht fordern, sollte
es jedoch immer fördern – sowohl aus dem oben
beschriebenen Menschenbild heraus, als auch aus
dem, was er/sie als den verborgenen Willen nach
Gesundheit beim/bei der KlientIn glaubt vorfinden
zu können, wenn er/sie ihm/ihr nur genügend Ge-
duld und empathische Aufmerksamkeit entgegen
bringen würde.
Unsere dafür ausgebildeten MitarbeiterInnen
(FachtherapeutInnen) verstehen sich daher als Ge-
danken- und GefühlsbegleiterInnen der Betroffe-
nen auf einem oft steinigen und beschämenden
Weg in die verdrängten Bereiche seiner/ihrer süch-
tig gewordenen Persönlichkeit. Sie sind bereit, da,
wo Angst und Sprachlosigkeit die echten Persön-
lichkeitskräfte noch ablähmen, dem/der KlientIn
zeitweise stellvertretend in Einzel- und Gruppenge-
sprächen das Wort, das Bild und auch den Gedan-
ken als Angebote zur freien Verfügung zu stellen.
Ziel bleibt die eigene unverwechselbare Sprach-
und Ausdrucksfähigkeit des/der KlientIn.
Bei der individuellen Zielfindung und Maßnahmen-
planung gehen die MitarbeiterInnen sowohl nach
suchttherapeutischen wie auch sozialtherapeuti-
schen Gesichtspunkten vor. Am ehesten kann der
methodische Unterschied beider Ansätze begriffen
werden, wenn man selbst an sich die Frage stellt:
Wie lebt die Welt in mir nach, wie bin ich ein An-
derer geworden im Verlaufe eines kürzeren oder
längeren Welterlebens? Bin ich ein mehr oder
weniger vollkommenes Abbild des in der Welt Er-
lebten? Wer wäre ich ohne diese Erlebnisse?“ Oder
auch: „Haben meine Vorstellungen, meine Wün-
sche, meine Begierden, meine Gewohnheiten, die