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ich im Innern als seelische Realitäten erlebe, mehr
Autonomie- oder mehr Abhängigkeitscharakter,
wenn sie sich der Welt zuwenden?“ In diese Fra-
gerichtungen gehen z.B. die Einzelgespräche mit
KlientInnen innerhalb der suchttherapeutischen
Zuwendung.
Die Sozialtherapie macht das anders. Sie wendet
sich gleichsam um und geht der Fragestellung nach:
„Wie kann der Einzelne sich so in die Gemeinschaft
mit seinen intellektuellen, handwerklichen und
charakterlichen Qualitäten, aber auch mit seinen
temporären oder dauerhaften Defiziten arbeitend,
begegnend und erlebend hineinstellen, dass dieses
zum größtmöglichen Gedeihen sowohl für ihn, als
auch für alle anderen am Sozialprozess Beteiligten
geschehen kann?“ Hier ist eigentlich der/die Klien-
tIn die Gemeinschaft, zu der zwar in erster Linie die
Menschen, aber auch die Tiere, die Pflanzen, ja die
ganze Infrastruktur der Landschaft und Gebäude
etc. gehören.
Beide methodischen Richtungen schließen sich im
gesamttherapeutischen Kontext wieder zusammen
und offenbaren, dass „Ich und Welt“ eigentlich ei-
nes Wesens sind, dem man von mindestens zwei
verschiedenen Richtungen her begegnen kann.
Selbstwahrnehmung, Selbsterfahrung und Selbst-
erkenntnis, – sie werden im Hiram Haus vom sucht-
therapeutischen Team in allen Gesprächssituatio-
nen als schrittweise zu erlangende Fähigkeiten,
nicht aber als fixe Zielzustände angestrebt. Sie
werden außerdem, weil es den Lebenstatsachen
entspricht, immer im organischen und dynamischen
Kontext mit der Sozialtherapie zu verstehen sein.
Rudolf Steiner, auf dessen geisteswissenschaft-
licher Arbeit die Anthroposophie gründet, be-
schreibt diesen Zusammenhang sinngemäß so:
Beim Schauen in das eigene Seeleninnere
finde ich im Wesentlichen gefühlte und
vorgestellte Inhalte, welche Abbilder von
Welttatsachen sind. Zu diesen sage ich ICH.
Ich müsste eigentlich WELT zu ihnen sagen.
Beim tätigen Mich-Verbinden mit den Welt-
tatsachen finde ich überall mein Schicksal.
Dazu sage ich WELT. Ich müsste eigentlich
ICH dazu sagen. Mich selbst in der Welt
zu suchen, die Welt im Ich zu erkennen –
ist Seelenatem.